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Dies sind nun die Früchte meines html-Lernens. Viel Spass!!

Das Piepen


Es ist ein ziemlich kalter Tag. Nun ja, in anbetracht dessen, das wir Februar haben, vielleicht nicht unbedingt ungewöhnlich. Das Thermometer zeigt 4°C an.
Erinnere mich aber mit einiger Wehmut an vor zwei Wochen, als wir hier schon das drei- bis- vierfache hatten und ich in Jeansjacke zur Uni gefahren bin.
Ich kann also zu Recht behaupten, dass es ziemlich kalt ist.
Trotzdem hält mich das nicht davon ab, etwas spazieren zu gehen.
Weiß nämlich nicht, was ich sonst machen sollte. Im Fernsehen läuft nichts Ordentliches und zum lernen habe ich keinen Nerv, also gehe ich spazieren.
Kaum draußen, pfeift mir auch schon der eisige Wind um die Ohren und durch sämtliche Kleiderschichten.
Überlege kurz, ob ich nicht wieder reingehen sollte.
Entscheide mich dann aber dagegen, wenn ich nun schon mal hier draußen bin, kann ich mich auch auf den Weg machen.
Treffe zu meiner Verwunderung einige Leute auf dem Fahrrad an, die haben meinen tiefsten Respekt.
Schon allein bei dem Gedanken, mich jetzt auf mein Fahrrad zu schwingen, friert mir alles ab, abgesehen davon würde ich das auch gar nicht können, weil mein Fahrradschloss vermutlich immer noch klemmt und die Reifen noch nicht gelernt haben, sich selbst aufzupumpen.
Am besten, ich gebe es gleich zu, ich bin eine tierisch faule Person.
Obwohl letztens ein Test behauptet hat, ich sei ein gelassener Mensch und somit ein Vorbild für mein Umfeld.
In meinem Fall wird das hundertprozentig mit Faulheit verwechselt und ich rate jedem, sich das auf gar keinen Fall anzugewöhnen.
Ich besitze nicht diese tolle Fähigkeit, mit jeder Art von Stress locker umgehen zu können, wie sie mir angedichtet wird, sondern viel mehr den ständigen Drang, jede Art von Arbeit solange aufzuschieben, bis es nicht mehr anders geht oder mir plötzlich einfällt, dass das ganze eh nicht so wichtig sei und ich es genauso gut ganz untern Tisch fallen lassen kann.
Das ganze geht soweit, das ich Ewigkeiten bei mir im Zimmer sitze und darüber nachdenke, ob ich meine Arbeit angehen sollte oder nicht und wenn ich mich dann endlich entschieden habe, ist soviel Zeit vergangen, dass ich schon lange hätte fertig sein können.
Besonders effektiv ist das also nicht.
So ist es auch mit den Fahrradreifen. Wie oft habe ich schon überlegt, sie aufzupumpen.. .
Während ich diesen Gedanken nachhänge, fängt plötzlich etwas an, wie verrückt zu piepen.
Erschrocken blicke ich auf, das ist nicht mein Handy, also kann das nicht von mir stammen.
Und tatsächlich, mir kam gerade wer entgegen, als das losging.
Dieser jemand guckt aber genauso verdutzt wie ich.
" Ich bin's nicht", äußert er etwas verwirrt.
" Ich auch nicht", trotzdem krame ich mein Handy hervor, es ist still.
Das ist seltsam, wenn man genau hinhört, dann überlagern sich da zweimal die gleichen schrillen Pieptöne.
Nicht nur, das ich diesen Ton noch nie gehört habe, jetzt taucht er gleich zweimal auf, - und das gleichzeitig.
Als Wissenschaftlerin, - okay, als angehende Wissenschaftlerin, weiß ich, das kann kein Zufall sein.
" Hast du vielleicht ein Pieper oder so was?" fragt er mich nach einiger Zeit Stille.
" Nein ..", welch eine unsinnige Frage, "- außerdem bin ich nicht die einzige, die diese Laute von sich gibt".
" Hm ..", er schaut kurz auf seine Uhr mit Tausend Sonderfunktionen, wie ich erkenne und zuckt dann mit den Schultern, "- keine Ahnung, was das ist ...".
"- Ich schon ..", murmle ich undeutlich und lege meinen eigenen Arm frei. Neben meiner Uhr habe ich da dasselbe dünne Kunststoffband baumeln wie er.
Das habe ich letztens von einer Freundin geschenkt bekommen, damit ich den richtigen erkenne, wen ich ihm begegne. Finde das Band hässlich und hatte auch nie eine Idee, wozu es gut sein sollte, - bis heute.
Aber das kann doch nicht möglich sein.
" Weißt Du, was das für ein Band ist", ich deute auf mein eigenes.
" Äh ..", er fummelt seins hervor und wird ganz plötzlich knallrot.
Ich vermute also, er weiß es. Und, was noch schlimmer ist, ich spüre, wie mir plötzlich die Hitze ins Gesicht steigt. Plötzlich ist nichts mehr zu spüren von der Eiseskälte.
Ich überlege mir, wie man am besten reagiert, wenn man gerade der Liebe seines Lebens gegenüber steht.
Klasse, nur wegen dieses blöden Piepens fühle ich mich jetzt einer Person, die ich noch nie zuvor gesehen habe, gegenüber vollkommen aus dem Gefecht gesetzt.
Wir wären aneinander vorbei gegangen, ja ich hätte ihn nicht einmal bemerkt, und jetzt stehen wir uns wie blöd gegenüber und denken darüber nach, wie wir am besten verschwinden können.
Aber, wenn ich mir das mal ganz wissenschaftlich überlege, woher soll so ein dummes Plastikband wissen, wer zu mir passt?!
Das ist doch totaler Blödsinn. Und genau das werde ich ihm jetzt auch sagen.
Ich hol einmal Luft, setzte zum Reden an ... und schließe den Mund ganz schnell wieder.
Verdammt. Verdammt. Verdammt.
Ich traue mich ja nicht einmal ihn etwas genauer anzusehen.
Ja, wie sieht er eigentlich aus?
Das einzige, was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, das er männlich ist.
Großer Gott, wie kann man nur so leichtgläubig sein. Irgendein komisches Gerät sagt mir, das ich mich in diese Person verlieben könnte und ich flippe gleich total aus.
Und vom blöd rum stehen wird es auch nicht besser. Wenn wir nicht bald irgendetwas machen, frieren wir noch fest. Was für ein Anblick das sein muss, stehen sich zwei gegenüber und starren angestrengt irgendwo hin, nur nicht annähernd in die Richtung des anderen.
"Nun ..", erstaunt stelle ich fest, das meine Stimmbänder nicht festgefroren sind, "- du weißt nicht zufällig, wie man das wieder ausstellt? - Das Piepen, meine ich..".
Er antwortet nicht gleich, - Zeit für mich, ihn mir mal genauer anzusehen. Ist schließlich pure Höflichkeit sein Gegenüber während eines Gespräches anzusehen.
So übel sieht er gar nicht aus, im Gegenteil.
Momentan scheint ihm die Sonne ins Gesicht, sodass seine Augen richtig golden leuchten, so wie Bernstein. Kann meinen Blick gar nicht mehr abwenden.
" Keine Ahnung .. wußte nicht, dass das Ding Geräusche von sich geben kann ...#", er fummelt ziemlich verlegen an seinem Armband rum, " hab's geschenkt bekommen".
" Ich auch ..", mir fallen gerade seine markanten Wangenknochen auf.
Ist es nachher möglich, dass die Armbänder Recht haben? Auch wenn es mir ein Rätsel ist, wie das funktionieren soll.
" Was machen wir denn jetzt?" er wirft mir ein unsicheres Lächeln zu, "- ich meine wegen dem Piepen ..".
Ich frage mich, ob die Erfinder dieser Armbänder davon ausgegangen sind, dass jeder Mensch nur ein einziges Gegenstück auf der Welt hat. Denn wenn ja, sind die Teile jetzt ja nutzlos.. .
Hätte ich meiner Freundin damals nur besser zugehört, als sie mir vollkommen begeistert das Armband erklärt hat.
Aber ich fand das Band nun mal so hässlich. Ich meine, die beste Freundin schenkt dir ein Plastikarmband! Obwohl es vermutlich noch das beste Geschenk war, das ich an jenem Tag zu meinem Geburtstag erhielt. Meine anderen Gäste sorgten dafür, dass ich nun genug Kaffeetassen habe um eine ganze Kompanie zu versorgen. Jedes Mal, wenn ich meinen Küchenschrank öffne, rechne ich fest damit, dass sie über mich her fallen und mich niederstrecken. Wenn sie dabei wenigstens auch kaputtgehen würden.
Jedenfalls war ich, während sie wie ein Wasserfall auf mich einredete gerade damit beschäftigt, eine durch die Gegend taumelnde Fliege zwischen eines meiner wunderschönen Geschenke und einem Bierdeckel einzusperren.
Und als ich dann schließlich damit fertig und bereit war, ihr zuzuhören, erzählte sie gerade etwas von ihrem Arztbesuch.
"Hm ..", mir kommt da eine Idee, "- hast du eine Schere oder Messer oder so was dabei?"
Er schaut erst ziemlich verdutzt drein, beginnt dann aber in seiner Fahrradkuriertasche rumzuwühlen.
Die Tasche gefällt mir, habe selbst einige bei mir daheim herum liegen.
Er findet schließlich eine Schere und reicht sie mir.
" Danke", ich schneide mein Armband eiskalt durch und tatsächlich, es gibt Ruhe.
Triumphierend gebe ich ihm die Schere zurück und er macht dasselbe bei seinem eigenen Band.
" Gute Idee ..", er blickt mich mit einem schüchternen Lächeln an, sodass mir gleich ganz anders wird.
Ich nicke nur, habe keine Ahnung was ich sagen könnte und außerdem habe ich meine Gesichtsmuskeln nicht mehr so richtig unter Kontrolle. Es fühlt sich ein bisschen so an, als hätte ich ein schrecklich breites Grinsen aufgesetzt. Oh man, ich hoffe, das ich mich da täusche.
Um irgendetwas zu machen, lasse ich das zerschnippelte Armband in meiner Jackentasche verschwinden, sobald ich zuhause bin, werde ich es erst einmal sezieren. Dann werden wir ja sehen, wie das Teil funktioniert.
" Nun, ehm ..", er verpackt die Schere äußerst sorgfältig in seiner Tasche, "- ich muss so langsam weiter, Vorlesung ...".
" Ich auch ..", höre ich mich antworten, während er sein Handy aus seiner zu engen Jeanstasche versucht rauszuzerren, "- vielleicht sehen wir uns ja mal wieder ..".
Und ehe noch irgendetwas passieren kann setzten sich meine Füße in Bewegung und tragen mich gegen meinen Willen weg.
Aber noch kann ich stehen bleiben, mich umdrehen, zu ihm zurückgehen, ihm nachlaufen und ihm meine Nummer geben.
Ich tue es jedoch nicht. Ich gehe einfach weiter, ohne mich umzudrehen, gehe Ewigkeiten geradeaus, bis es nicht mehr geht.


written by Andrea Reichstein, 20.02.2004, vervollständigt am 03.05.2004